Kieferorthopädie bei Jugendlichen

 

Im Jugendalter sind die Wachstumsvorgänge des Körpers am größten und können bestens kieferorthopädisch genutzt werden. Daher ist meist das frühe Jugendalter ein guter Zeitpunkt für eine optimale Behandlung. 

 

Kieferorthopädische Behandlungen im Jugendalter

 

Ab etwa dem 9.-12. Lebensjahr beginnt die zweite Wechselgebissphase und die Seitenzähne befinden sich im Durchbruch. In dieser Phase befinden sich die Jugendlichen meist im Bereich des maximalen Wachstums.  Deshalb wird in diesem Alter besonders auf die korrekte Lage von Ober- und Unterkiefer geachtet. Nur wenn beide Kiefer harmonisch zu einander stehen, ist ein optimaler Kontakt zwischen den Zähnen des Ober- und Unterkiefers möglich (Okklusion). Zahn- und Kieferfehlstellungen werden in diesem Alter meist mithilfe von festen Zahnspangen behoben. 

 

Häufige Kieferfehlstellungen bei Jugendlichen

 

Vergrößerte Frontzahnstufe, Distalbisslage, Distalokklusion: Ursache für solche Fehlbisse kann entweder ein zu weit vorne stehender Oberkiefer, ein zu weit zurückliegender Unterkiefer oder eine Kombinationsform sein

Nonokklusion: Anomalien in der Zahnstellung, sodass Oberkiefer- und Unterkieferzähne aneinander vorbeibeißen können

Engstände: zum Beispiel wenn der Kiefer zu klein für die Zähne ist oder die Zähne zu groß für den Kiefer sind;  

 

Vergrößerter Überbiss

 

Bei dieser Fehlstellung steht der Oberkiefer vor, da er im Verhältnis zum Unterkiefer zu weit vorne ist, oder im Wachstum schneller als der Unterkiefer ist. Dadurch haben die oberen Schneidezähne zu viel Abstand zu den unteren (bei einem normalen Gebiss sind es nur 2 bis 3 Millimeter). Mögliche Auswirkungen:

  • Erhöhtes Verletzungsrisiko für die oberen Schneidezähne zum Beispiel bei einem Sturz
  • Abbeißen ist erschwert
  • Die Seitenverzahnung stimmt nicht
  • Ästhetische Beeinträchtigung der Gesichtsform („Fliehendes Kinn“, „Hasenzähne“)
  • Keine Eckzahnführung
  • Zwangsbisse
  • Belastung des Kiefergelenks

 

Umgekehrter Überbiss (auch Vorbiss)

 

Der Unterkiefer ist im Verhältnis zum Oberkiefer zu prominent oder der Oberkiefer zu klein. Die Folge: Die unteren Schneidezähne ragen beim Zusammenbeißen vor die oberen. Mögliche Auswirkung: 

  • Abbeißfunktion gestört
  • Unstimmigkeiten in der Seitenverzahnung
  • Ästhetische Einschränkungen (prominentes Kinn, flaches Gesichtsprofil, prominente Unterlippe)
  • Sprachliche Schwierigkeiten
  • Keine Eckzahnführung
  • Zwangsbisse
  • Belastung des Kiefergelenks
  • Nahrungszerkleinerung erschwert

Nicht immer reicht eine rein kieferorthopädische Behandlung aus, um ausgeprägte Bisslageanomalien zu korrigieren. Wenn kein Restwachstum vorhanden ist und die Fehlstellung nicht durch Zahnstellungskorrekturen korrigiert ausgeglichen werden kann, ist in manchen Fällen ein chirurgischer Eingriff zusätzlich notwendig.

 

Offener Biss

 

Beim Zusammenbeißen der Zähne überlappen sich die oberen und unteren Schneidzähnen nicht. Stattdessen bleibt eine Lücke zwischen den vorderen oder seitlichen Zähnen im Ober- und Unterkiefer bestehen. Ein offener Biss kann etwa durch Fehlfunktionen der Zunge, durch Angewohnheiten wie Daumenlutschen oder langen Gebrauch des Schnullers entstehen. Ursache kann aber auch nicht gehemmtes, ungünstiges Wachstum oder auch Vitamin D-Mangel (z. B. Rachitis) sein.  

Mögliche Auswirkungen:

  • Die Sprachentwicklung ist beeinträchtigt
  • Kinder lispeln, wenn sie die Zunge in die Lücke schieben
  • Einlagerung der Zunge in den Spalt zwischen den Zähnen: Entwicklung einer Zungendysfunktion
  • Der Mund kann nicht mehr richtig geschlossen werden (das führt zu einer ungünstigen Mundatmung, denn dabei werden die Zähne nicht mehr ausreichend mit Speichel umspült, was Karies begünstigt)
  • Abbeißen ist erschwert
  • Manchmal ist der Oberkiefer in der Breite im Verhältnis zum Unterkiefer zu schmal, was die Belüftung der Nase und Nasennebenhöhlen erschwert 

 

Tief- oder Deckbiss

 

Beim Zusammenbeißen überlappen im normalen Gebiss die oberen Schneidezähne etwa 2 bis 3 Millimeter die unteren. Beim Deckbiss ist der Biss deutlich vertieft und oberen Schneidezähne überlappen die unteren um mehr als 3,5 Millimeter. Mögliche Auswirkung: Nach hinten geneigte Frontzähne des Oberkiefers können bis zum Zahnfleisch des Unterkiefers reichen und dieses verletzen. Ebenso können Unterkieferschneidezähne bis in den Gaumen einbeißen und diesen wiederum verletzen. 

Mögliche Auswirkungen:

  • Einbisse in den Gaumen mit Verletzung der Schleimhaut
  • Verdrängen des Zahnfleisches und der darunter liegenden dünnen Knochenlamelle in der Unterkieferfront durch die nach hinten geneigte Oberkieferfront
  • Schmerzen beim Kauen
  • Hemmung des Unterkieferwachstums mit entsprechender Rücklage des Unterkiefers
  • Hemmung des Unterkieferwachstums in der Breite, wenn der obere Zahnkranz den gesamten unteren Zahnkranz überlappt
  • Kiefergelenksbeschwerden
  • Sprachproblematik
  • Prominentes Kinn  

 

Kreuzbiss

 

Die Seitenzähne oder Frontzähne beißen nicht richtig aufeinander. Die oberen Seitenzähne oder Frontzähne stehen weiter innen als die unteren – und nicht wie beim normalen Gebiss weiter außen. Ursache ist in der Regel ein zu schmaler Oberkiefer. Ein Kreuzbiss kann ein- oder beidseitig auftreten.

Mögliche Auswirkungen:

  • Der Oberkiefer wird im Wachstum gehemmt
  • Bei einem einseitigen Kreuzbiss kann ein „schiefes Gesicht“ die Folge sein
  • Das Kiefergelenk auf der Seite des Kreuzbisses wird stärker belastet, was zu Schmerzen und vorzeitiger Abnutzung der Zähne führen kann
  • Ein einseitiger Kreuzbiss kann den Unterkiefer verschieben, was zu einer seitenungleichen Entwicklung und damit Schiefstellung führen kann
  • Die Kaufunktion ist gestört

 

Umgekehrter Frontzahnüberbiss

 

Bei dieser Kieferfehlstellung, auch Progenie genannt, steht der Unterkiefer bei Mundschluss vor dem Oberkiefer. Es kommt zum sogenannten Mesialbiss: Die unteren Frontzähne stehen vor den oberen. Wir Kieferorthopäden unterscheiden zwischen einer echten und einer unechten Progenie. Die echte Progenie ist erblich bedingt. Typische Merkmale sind auch eine kräftige Unterlippe und ein vorstehendes Kinn. Die unechte oder Pseudo-Progenie wird durch einen zu wenig entwickelten Oberkiefer bei normal entwickeltem Unterkiefer verursacht.

Mögliche Auswirkungen:

  • Ein vollständiger Mundschluss ist häufig nicht mehr möglich- dies kann zu ungesunder Mundatmung führen
  • Die Zähne sind nicht mehr ausreichend von Speichel umspült, was das Kariesrisiko erhöht
  • Das Abbeißen ist erschwert
  • Die Aussprache ist gestört
  • Das Gesichtsprofil mit dem ausgeprägten Kinn wirkt unvorteilhaft

 

Kopfbiss

 

Die Kanten der Frontzähne sowie die Höcker der Backenzähne in Ober- und Unterkiefer treffen aufeinander. Dabei handelt es sich um eine Vorform des Kreuzbisses. Hier sieht die Krankenkasse keine Behandlungsnotwendigkeit vor, dennoch können die Symptome ähnlich wie beim Kreuzbiss sein.

Mögliche Auswirkungen:

  • Die Kaufunktion ist beeinträchtigt
  • Die Zähne nutzen sich stark ab
  • Das Wachstum des Oberkiefers ist gehemmt
  • Sprachstörungen können auftreten
  • Kippungen der Zähne im Unterkiefer Richtung Zunge sind möglich
  • Kippungen der Zähne im Oberkiefer Richtung Wange sind möglich, im Verlauf können Verlängerungen der Zahnhälse wegen Auflösen der dünnen Knochenlamelle erfolgen
  • Verspannungen und Nackenschmerzen sind häufige Folgen

 

Häufige Zahnfehlstellungen bei Jugendlichen

 

  • Einzelne nach vorne, hinten, außen oder innen gedrehte bzw. gekippte Zähne
  • Zahnlücken
  • fehlende Zähne (genetisch/traumatisch bedingt), Zahnunterzahl
  • verlagerte (retinierte) Zähne, die nicht vollständig aus dem Kiefer herausgewachsen und nicht in der Zahnreihe eingeordnet sind
  • überzählige Zähne
  • Engstände

 

Mögliche Behandlungsarten im Überblick

 

Zahn- und Kieferfehlstellungen werden bei Jugendlichen mit diesen Geräten korrigiert:

 

Kosten für kieferorthopädische Behandlungen bei Jugendlichen

 

Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen nicht bei allen kieferorthopädischen Fehlstellungen die Kosten.  Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten etwa für Zahnspangen bei Jugendlichen, wenn aus Sicht der Krankenkasse eine medizinische Notwendigkeit vorliegt. Dazu werden die Fehlstellungen in sogenannte kieferorthopädische Indikationsgruppen (KIG) eingeteilt. Zum Beispiel wenn der Abstand von Ober- zu Unterkiefer mehr als 6 Millimeter beträgt (KIG D4), zahlt die Krankenkasse 80 bis 100 Prozent der Behandlungskosten nach dem Wirtschaftlichkeitsprinzip (ausreichend, wirtschaftlich, zweckmäßig). Ist das Ausmaß der Anomalie allerdings geringer als die in der Tabelle vorgegebenen Fixwerte (z.B. im obigen Beispiel 5,5 mm), müssen Sie die Behandlung trotz gleicher Symptomatik komplett privat bezahlen.  Generell könnte eine private Zahnzusatzversicherung, die auch die Kieferorthopädie umfasst, sinnvoll für Sie sein. Diese könnte Sie im Falle einer privat zu bezahlenden Behandlung oder bei privaten Zusatzleistungen unterstützen. Wichtig: Die gesetzliche Krankenkasse erstattet zunächst nur 80 Prozent vom Gesamtbetrag, die übrigen 20 Prozent müssen Sie als Eltern zunächst vorstrecken. Erst nach Abschluss der Behandlung erhalten Sie auch diesen Anteil von Ihrer Krankenkasse erstattet. Bei mehreren Kindern in Behandlung übernimmt die Krankenkasse 90 Prozent sofort und Sie zahlen noch 10 Prozent. Nach Beratung und Anfertigung von diagnostischen Unterlagen (Röntgenbilder, Modelle, Fotos), erstellen wir einen Behandlungsplan für Ihr Kind und informieren Sie, welche Kosten auf Sie zukommen werden und für welche Ihre Krankenkasse aufkommt.  

Bitte beachten Sie: Die Kosten, die über die sogenannte Regelversorgung hinausgehen, bezahlen die Krankenkassen nicht. Dazu zählen zum Beispiel Behandlungsmaßnahmen, die für eine optimale Behandlung sinnvoll sind wie: Umfeldversiegelungen zur Reduktion der Kariesgefahr, festsitzende Kl.II/III Mechaniken, skelettale Verankerung und Maßnahmen der Stabilisierung wie Kleberetainer. Aber auch Behandlungsgeräte mit einem hohen ästhetischen Anspruch wie unsichtbare Zahnspangen (Lingualtechnik) sowie Keramik-Brackets.